KISS Syndrom – was ist eigentlich eine Helmtherapie?

Oh mein Gott! Was hat denn das arme Kind, dass es so ein Ding tragen muss?! Von den Eltern fallen gelassen, offener Kopf, behindert? Solche Sachen schossen mir durch den Kopf als meine damalige Arbeitskollegin ihren kleinen Sohn im Betrieb vorstellte. Er war vielleicht ein halbes Jahr alt und hatte einen weißen Helm, auch Kopforthese genannt, auf dem Kopf. Ich hatte überhaupt keine Vorstellung wofür dieses „Ding“ gut sein soll. Ich ahnte ja nicht, dass ich es ein paar Jahre später ganz genau wissen würde…

Helm-Therapie bei Kiss Syndrom

Fotos: mit freundlicher Genehmigung von Sabrina R.

Am 20. September 2011 wurde unser Sohn Tom geboren. Ich hatte eine unkomplizierte Schwangerschaft und eine relativ unkomplizierte Geburt, aber da hat ja jede ihre ganz eigenen Tücken. Wir erfreuten uns an unserem gedeihenden kleinen Mann.

Die Erste, die den abgeflachten Hinterkopf erkannte, war meine Hebamme. Das erste Mal, hörte ich von KISS Syndrom. An den genauen Wortlaut erinnere ich mich nicht mehr aber da war dieses Wort: Helm. In meinem Kopf gingen alle Alarmglocken an. Auf einmal sah ich mich wieder auf der Arbeit stehen, wie ich verstört auf dieses arme kleine Kind mit dem Helm auf den Kopf starre. So weit darf es unter keinen Umständen kommen, dachte ich mir. In Internet-Foren saugte ich alles Wissen auf, was dieses Thema her gab. Mit einfachem Lagern, ließ Tommy sich aber nicht abspeisen. Warum auch? Es war ja so bequem auf dem Rücken. Es wurde also gekauft, was ich für nötig hielt, um die Lage zu verbessern: Lagerungskissen, Schlafhalterung, BabyDorm Kissen.

Bei der U3 wurde der KISS Verdacht bestätigt. Dazu gehörten auch die blockierten Wirbel und ausbleibende motorische Fähigkeiten. Hinzu kamen noch Prophezeiungen wie Zahn- und Kieferprobleme. Und dann ging sie los: meine Reise durch Orthopäden-, Osteopathie- und Physiotherapie-Praxen. Atlas- und Vojta Therapie wurden verordnet. Eine motorische Besserung wurde schnell sichtbar. Jedoch änderte sich die Kopfform nicht. Immer wieder wurde das Thema Helm ausgegraben, was ich immer schön weit weg vor mir her schob. Ich wollte davon aber partout nichts wissen. Einen Helm? Für meinen Sohn? Das kam überhaupt nicht in Frage! Ich hatte das Thema mal wieder für eine Zeit erfolgreich verdrängt als mein Vater mir von einer Bekannten erzählte, dass deren Kind jetzt auch einen Helm bekommen hatte. Kurzerhand beschloss ich, Kontakt zu dieser Mutter aufzunehmen um mir Informationen aus erster Hand zu beschaffen. Wir telefonierten sehr lange und nach unserem Gespräch stand ich der ganzen Helm-Geschichte ganz anders gegenüber. Auf einmal war ich richtig bestärkt. Ich hab mich richtig über mich selbst gewundert. Am nächsten Morgen habe ich gleich im Annastift in Hannover angerufen um einen der begehrten Termine zur so genannten Helmsprechstunde zu ergattern. Da kam gleich die Ernüchterung: zwei Monate Wartezeit. Diese Zeit erschien mir ewig lang aber irgendwann kam der große Tag:

Ich habe von Horror-Szenarien gelesen, in denen den Kindern ein Feintrumpf über den Kopf gezogen wird und sie dann mit Gips übergossen werden, um einen Abdruck des Kopfes zu erstellen. Das mit dem Strumpf stimmt. Gips hab es Gott sei Dank nicht. Stattdessen wurde Tommy hingesetzt und der Kopf wurde gescant. Der Vorgang hat eine Sekunde gedauert und man hat nicht gemerkt. Das war wie Fotos machen. Schwuppdiwups waren alle Daten im Computer. Die Zahlen sprachen eine eindeutige Sprache: der Helm muss her.

Zwei Wochen später war der Anpassungstermin. Schon im Wartebereich der Kinderorthopädie wimmelte es von „Helm-Kindern“ mit ihren Eltern. Ich kam sehr schnell mit den verschiedensten Leuten ins Gespräch und auf einmal war alle Angst verflogen. Selbst als Tom den Helm aufgesetzt bekam, fand ich es nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Das Gesicht des eigenen Kindes kann halt nichts entstellen. Nachdem ich das „weiße Monster“ etwas kinderfreundlicher gestaltet habe, habe ich mich sehr schnell daran gewöhnt. Immerhin soll er 23 Stunden am Tag getragen werden. Das wichtigste aber ist, das der kleine Mann keine Schwierigkeiten damit hatte. Der Helm gehörte von Anfang an zu ihm. Das hört man glücklicherweise von den meisten Kindern.

Baby mit Helm - die Helmtherapie beim Kiss Syndrom

Fotos: mit freundlicher Genehmigung von Sabrina R.

Alle vier Wochen müssen wir zur Kontrolle in die Klinik. Dann wird der Kopf wieder vermessen und der Helm wird bei Bedarf noch etwas ausgefräst. Aktuell heißt es, dass Tommy den Helm mindestens sechs Monate tragen muss. Wie lange es tatsächlich wird, wird sich zeigen.

Da Tom noch nicht sitzt und noch in seiner Babywanne im Kinderwagen liegt, kann man den Helm von außen nicht sehen. Deswegen musste ich mich den komischen Blicken und den manchmal dummen Fragen und Kommentaren noch relativ selten stellen. Ich kenne aber mittlerweile auch Eltern, die viele unschöne Erfahrungen mit den Reaktionen ihrer Umwelt gemacht haben. Die meisten Menschen denken halt das Gleiche, wie ich noch vor ein paar Jahren. Man kann es ihnen ja auch nicht verübeln, da diese Behandlungsmethode noch relativ jung und unbekannt ist. Um es zu erklären, nenne ich den Helm manchmal die „Zahnspange für den Kopf“. Allerdings wird bei dieser Kopforthese das kleine Köpfchen nicht in eine gewünschte Form gedrückt. Das Innenleben des Helms ist individuell angepasst und hat jede Menge Platz zu wachsen. Dabei wird er lediglich in die richtigen Bahnen gelenkt. Die meisten Kinder jedenfalls haben eine mittlere bis starke Kopfasymmetrie. Die Behandlungserfolge sind enorm. Noch nie habe ich bei meiner Internetrecherche von Eltern gehört, die die Helmtherapie nicht wieder machen würden.

Leider befindet sich der Helm (noch) nicht im Heilmittelkatalog der Krankenkassen. Deswegen haben die meisten Versicherten große Probleme bei der Kostenübernahme, die immerhin mit fast 2000 Euro zu Buche schlägt. Nach einigen Widersprüchen und Gerichtsverhandlungen hört man aber immer mehr von Erfolgen; auch lange nach der Behandlung. Wir stecken noch mitten im Verfahren, bisher ohne unangenehme Rückschläge.

Da die Therapie innerhalb des ersten Lebensjahres angefangen muss, kann ich Müttern und Vätern die dieser Behandlungsform genauso ängstlich und skeptisch gegenüber stehen wie ich, nur bestärken sich von einem Kinderorthopäden oder an einem der Helmstandorte zumindestens beraten zu lassen. Nicht jeden Kind wird gleich ein Helm aufgesetzt!

Damals hab ich mich nicht getraut bei meiner Kollegin nachzufragen, ich wollte ihr ja nicht zu nahe treten. Heute, einige Jahre später, wünsche ich mir, ich hätte es getan. Hätte ich gewusst, dass eigentlich nur eine „Lappalie“ ist, wäre mir eine ganze Menge Angst erspart geblieben.

In unserem heutigen Gastartikel schreibt Sabrina über ihre Erfahrungen mit einer Helm-Therapie, erklärt was es mit einem Baby-Helm auf sich hat. 

Vielen Dank für diesen interessanten Erfahrungsbericht an Sabrina!

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